Zurück auf Aton

Zurück auf Aton

Michi

Nach unserer Atlantik-Überquerung hatte uns der Alltag schnell wieder. Wir waren so dankbar, diese Erfahrung gemacht zu haben und stolz, wie wir alles zusammen gemeistert hatten. Reni hatte endgültig das Segel-Fieber gepackt und sie sprach bereits davon, den Segelschein zu machen. Im September hatten wir eine Woche in Kroatien gechartert und verbrachten mit ihr, ihrem Bruder Bernd, seiner Frau Claudia und unseren Freunden Wolfi und Otti eine schöne Woche in Dalmatien.

Gleich nach unserer Rückkehr aus Kroatien buchte Franz seinen Flug nach Carriacou für Mitte Oktober. Der Plan war, dass er dort Aton wieder auf Vordermann bringen würde und ich ca. im Dezember nachkommen sollte. Dann wollten wir einige Wochen in Grenada und den Grenadinen verbringen und im März zusammen wieder heimfliegen.

Die Zeit verging wie im Flug und der Tag des Abschieds kam schneller, als uns lieb war. Franz musste wegen der Pandemie das ganze Covid-Procedere durchmachen. PCR-Test, Einreise-Formulare für England und Grenada mit Hochladen des Testergebnisses, erneuter PCR-Test und Quarantäne bis Vorliegen des Ergebnisses in Grenada. Dann wieder zum Gesundheits-Ministerium in Grenada, um eine Erlaubnis zur Überfahrt nach Carriacou zu bekommen. Aber schlussendlich hatte er es dann doch geschafft und war wieder auf Aton, die in einer Marina an Land gelagert war. Die Vulkan-Asche des inzwischen ausgebrochenen Soufriere in St. Vincent, der Nachbarinsel, versteckte sich noch in allen Ritzen, aber ansonsten hatte sie die Zeit gut überstanden.

Wir telefonierten jeden Abend miteinander und brachten uns auf den neuesten Stand. Die Arbeiten auf Aton waren für ihn nicht leicht. Das Schiff stand in der prallen Sonne, kein Lüftchen wehte hier, er musste sich oft in den Motorraum quetschen, und zu alledem war die Marina direkt neben den Mangroven. Das hieß, Mosquitos zu hunderten, immer und überall. Oft war er sehr frustriert, weil irgendein technisches Problem ihn wieder um Tage zurück geworfen hatte. Ich versuchte dann, ihn wieder aufzurichten und Mut zu zusprechen. Leider hatte er anfangs überhaupt keinen Kontakt zu anderen Seglern und somit auch absolut keine Ansprache oder Hilfe. Er tat mir sehr leid und ich versuchte, ihn zu motivieren, so gut es ging. Oft hatte er aber auch Erfolgserlebnisse, an denen er mich auch teilhaben ließ. Dann freuten wir uns zusammen und stellten fest, dass es einfach schön war, Freud und Leid miteinander zu teilen.

Nach einiger Zeit war er soweit fertig, dass er mit Aton wieder ins Wasser gekrant werden konnte. Draußen in der Bucht ging immer ein schöner Wind und es hatte hier auch keine Mosquitos. Gottseidank, denn hier gibt es immer wieder Fälle von Dengue-Fieber. Auch lernte er nun mehr und mehr andere Segler kennen. Ein großes Glück war auch Jörg, ein Deutscher, der in Carriacou einen Workshop für Boots-Mechanik betreibt und ihm mit Rat und Tat zur Seite stand. Ich war froh, dass er nun Unterstützung und Gesellschaft hatte. Ich buchte meinen Flug für Anfang Januar und wir freuten uns sehr, dass wir uns nach drei langen Monaten endlich wieder in die Arme schließen konnten.

Da unser Generator, den wir in Florida bei Aldi gekauft hatten, und der bis hierhin relativ gut gelaufen war, bereits ahnen ließ, dass er die Reise wohl bald abbrechen würde, hatte Franz in Deutschland einen gebrauchten erstanden. Und tatsächlich, der alte Aldi-Generator sprang nicht mehr an und die verrosteten Schrauben ließen sich nicht mehr öffnen. Das hieß für mich, ich hatte einen Generator (30 kg schwer und ziemlich unhandlich) im Gepäck für meinen Flug. Ich versuchte herauszufinden, ob und wie das möglich war; endlich hatte ich jemanden von der Airline am Telefon und nein, es war nicht möglich, ein Gerät mitzunehmen, in dem vorher schon Brennstoff war. Ich war direkt froh, denn dieses Untrumm von Hochzoll nach Augsburg, nach Frankfurt, dann von Heathrow nach Gatwick und von Grenada nach Carriacou zu zerren, machte mir schon irgendwie Kopfzerbrechen. Aber schon am nächsten Tag verkündete mir mein Franz ganz happy, er hat jetzt einen neuen Generator bei Amazon gesehen und den soll ich mitbringen. Grrrrrhhhhh!!!

Ich bestellte also den neuen (der war immerhin nur 22 kg schwer) und zermartere mir wieder den Kopf darüber, wie ich den, zusätzlich zu den anderen Ersatzteilen, einem Seil und Werkzeugen, die ich auch mitnehmen sollte, in öffentliche Verkehrsmittel rein und raus, treppauf und treppab auf meiner langen Reise möglichst einfach transportieren konnte. Ich sah mich schon stolpernd und schwitzend mein ganzes Gepäck hin und her schleppend, mitleidigen Blicken anderer Reisenden ausgeliefert. Aber wiederum schon am nächsten Tag war Franz wieder ganz aus dem Häuschen am Telefon. Er hatte zufällig einen gebrauchten Generator in Grenada erstehen können und braucht den neuen nun nicht mehr. Mir fiel ein Stein vom Herzen und ich stornierte die Bestellung gleich wieder.

So konnte ich unbeschwert mit nur einer Reisetasche voller Ersatzteile losfahren. Schon am Bahnhof in Augsburg weigerte sich der Automat, mir ein Ticket auszuspucken. Ich sollte es später noch einmal probieren! Witzig, wenn der Zug in den nächsten 15 Minuten einfährt. Also zum Reisecenter (das muss man in der riesen Baustelle am Augsburger Bahnhof erst mal finden) und ein Ticket Augsburg – Frankfurt gekauft. Ich wunderte mich schon, dass ich gar nicht umsteigen musste. Online hatte ich schon geschaut und dort war einmal umsteigen gestanden. Kaum war der Zug da und ich eingestiegen, dämmerte es mir schon: ich hatte beim Ticket-Kauf nicht gesagt, dass ich nach Frankfurt-Flughafen will. Das ging ja schon gut los. Der freundliche Schaffner hat mir dann erklärt, wie ich vom Hauptbahnhof zum Flughafen komme. Gottseidank hatte ich genügend Zeitpuffer eingerechnet.

Da Franz unsere Kreditkarte benutzt, hatte ich mir eine andere bestellt, die einige Tage vor meiner Abreise gekommen war. Ich bekam einen Schweißausbruch, als mir, bereits im Flughafen Heathrow angekommen, auffiel, dass ich immer noch nicht die Geheimzahl hatte, die per Post kommen sollte. Ganz panisch schrieb ich meine Nachbarin Marion an, die netterweise meinen Briefkasten betreut. Sie sah gleich nach, und tatsächlich, der Brief mit der Nummer war da. Wieder mal Glück gehabt. Da man wegen Corona Bargeld, wenn überhaupt, nur noch sehr ungern nimmt, war ich auf der sicheren Seite. Danke, Marion!

Ich nahm mir ein Taxi, weil ich im Corona-verseuchten England auf keinen Fall mit dem Bus fahren wollte. Der Taxi-Fahrer war in Harvey, wo ich ein airbnb-Zimmer ganz nah am Flughafen Gatwick gebucht hatte, etwas überfordert und fand erst die Adresse nicht. Dann endlich, war er der Meinung, hat er es gefunden. Aber dort war nur ein Pub, und ich weigerte mich, auszusteigen, wenn nicht sicher war, dass wir richtig sind. Also fuhr er noch ein paar Mal auf und ab, bis wir es endlich gefunden hatten. Nun musste ich noch ein Zimmer in Grenada buchen, da ich dort zwei Nächte verbringen musste, weil die nächste Fähre erst am Montag Früh ging. Ich buche immer über airbnb und auch dieses Mal wurde ich fündig. Ein Zimmer in der Nähe des Flughafens. Am nächsten Morgen sah ich, dass die Buchung bestätigt und der Preis abgebucht wurde. Prima. Dann hab ich ja alles organisiert – dachte ich.

Von Gatwick flogen wir dann über den Atlantik und ich musste mich sehr wundern, wie weit wir im Mai nur mit der Hilfe des Windes und einem kleinen Segelschiff gekommen waren. Wir hatten noch eine Zwischenlandung in Antigua, wo der größte Teil der Passagiere ausstieg. So konnte ich mich an ein Fenster setzen und alle Antillen-Inseln von oben betrachten, die wir schon besucht hatten: Guadeloupe, Sint Maarten, Dominica, Martinique, St. Vincent, die Grenadinen und Grenada. Es kamen bei jeder einzelnen so schöne Erinnerungen, dass ich vor Dankbarkeit ganz wehmütig wurde. Was hatten wir hier nicht alles gesehen, wie viele tolle und interessante Leute getroffen und Abenteuer erlebt.

In Grenada angekommen stand ich 2 Stunden in einer Schlange, um einen PCR-Test zu bekommen. Da ich im Flugzeug ganz hinten saß, war ich die absolut letzte in der Schlange.

Danach nahm ich mir ein Taxi und wir suchten die Adresse des gebuchten Zimmers. Das Haus, welches mir von den Nachbarn, die ich auf der Straße gefragt hatte, gezeigt wurde, war hinter dem Flughafen auf einem Hügel. Als ich aus dem Taxi stieg und dieses davon fuhr, stand die Vermieterin auch schon am Tor, um mich zu begrüßen. Als ich jedoch sagte, ich sei ihr Gast, sah sie mich groß und klein an. Sie vermiete schon seit zwei Jahren nicht mehr, das muss ein Missverständnis sein. !!!??? Sie behauptete, ihr Sohn hätte den Acount bei airbnb schon lange gelöscht. Ich zeigte ihr die Anzeige auf meinem Handy und die Buchungsbestätigung, aber sie blieb dabei: es gibt bei ihr kein Zimmer und das ist alles ein großes Missverständnis.

Jetzt stand ich da und hatte kein Taxi, es wurde schon dunkel und ich kam mir vor wie bei der Herbergssuche. Bitte, lasst mich ein – ich schlaf auch auf dem Boden.  Spaß beiseite.

Wie immer hatte ich Glück im Unglück und gleich im Nachbarhaus waren Zimmer zu mieten. Natürlich zum doppelten Preis. Ob die unter einer Decke stecken? Der Sohn der vermeintlichen Vermieterin, der sich wohl um den Acount kümmert, hat sich im Nachhinein vielmals bei mir entschuldigt und ich hab auch mein Geld wieder zurück bekommen. Trotzdem stinkt es mir, dass ich den doppelten Preis bezahlen musste. Aber da zu streiten scheint mir aussichtslos. Ich war auch einfach erst mal froh, dass ich überhaupt schon mal hier war. Mein Zimmer war nichts Besonderes, hatte aber eine eicht schöne Aussicht.

Ich verbrachte den Sonntag in St. Georges, der Hauptstadt (wo jedoch tote Hose war, weil eben Sonntag war) und am Strand in Grand Anse.

Am Montag Früh nahm ich die Fähre und schon bei der Einfahrt in die Tyrell Bay sah ich, unter geschätzten hundert anderen Schiffen, unsere Aton am Anker schaukeln. Hübsch, wie immer; mir ging das Herz auf. Und erst als Franz und ich uns am Fähr-Terminal endlich wieder in die Arme schließen konnten – da war die Welt dann endgültig wieder in Ordnung.


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