Monat: Juli 2020

Abschied von Martinique

Abschied von Martinique

Franz

Nach der ersten Nacht seit langem, in der ich keine Verantwortung für das Schiff und meine Mannschaft tragen musste, erwachten wir ausgeschlafen und erholt bei Sonnenaufgang. Wir frühstückten an Deck und unterhielten uns mit den anderen Konvoi-Teilnehmern. Diese bestanden aus einem Pärchen, sowie drei Einhandseglern (das sind Segler, die alleine ein Schiff führen). Allesamt Franzosen, was die Verständigung nicht gerade vereinfachte. Wir waren während der Nacht ziemlich gut voran gekommen und hatten schon mehr als die Hälfte der gesamten Strecke geschafft. Ein steter, südlicher Passat hatte uns mit durchschnittlich 8 Knoten bis zum nördlichen Ende von St. Vincent geblasen. Wieder einmal waren wir erstaunt über den Platz, den ein Katamaran bietet. Allerdings waren die Schiffsbewegungen sehr ruckartig und ruppig, da die zwei Rümpfe nicht durch die Wellen schneiden, wie zum Beispiel unsere Aton. Vielmehr läuft die Welle erst unter dem einen und dann unter dem anderen Rumpf hindurch. Gottseidank wurden die Wellen in der Nacht immer kleiner, und somit das Geruckel auch immer weniger.

 

Unser Skipper Mat, ebenfalls ein Franzose, war ein leidenschaftlicher Fischer. Bereits am frühen Morgen hatte er die Köder seiner drei Hochsee-Routen ausgebracht. Es dauerte nicht lange, als die Leine einer der drei Meeresrollen surrend auslief. Mat hechtete zur Angel und begann, den Fisch einzudrillen. Dafür kurbelte er die Leine immer wieder ein Stück ein, um den Fisch zu ermüden. Dieser kämpfte tapfer, dennoch gelang es Mat mehr und mehr, seinen Fang näher an das Boot heran zu bringen. Plötzlich sahen wir den Fisch. Es handelte sich um einen kapitalen Mahimahi (Goldmakrele), der wunderschön hellblau, grün und goldgelb im Wasser schillerte. Mit einem Gaff (ein ausziehbarer Stab, der am Ende aussieht, wie ein Enterhaken) hievte Mat den Fisch schließlich ins Cockpit.

 

Michi

Welch eine wunderschöne Kreatur, dachte ich mir. Was danach kam glich einem Gemetzel. Mat erstach den Fisch mit einem Messer und dieser begann nun augenblicklich wie wild zu zappeln und zu zucken. Dabei wurde das gesamte Cockpit mitsamt den Gästen mit dem umherspritzenden Fischblut besudelt. Wir flüchteten alle in irgendwelche Ecken, die wir auf die Schnelle erreichen konnten. Innerhalb weniger Minuten verlor der Fisch seine schillernden Farben und wurde graublau. So gerne ich auch Fisch esse, irgendwie tat er mir schon leid. Nachdem Mat ihn ausgenommen und zerteilt hatte, fror er ihn ein und begann damit, das Cockpit zu reinigen. Nach der Reinigungsaktion war zwar alles nass, aber auch wieder sauber.

Am frühen Nachmittag, wir waren bereits im Kanal zwischen St. Lucia und Martinique, sahen wir eine große Schule Delfine. Lediglich zwei von ihnen kamen näher zum Schiff, die anderen hüpften munter in einiger Entfernung aus dem Wasser. Plötzlich sahen wir ein Stück davon entfernt weitere Flossen aus dem Wasser ragen. Diese bewegten sich aber nicht. „Das sind Pilotwale.“, klärte uns Mat auf. Die kleinen Wale atmeten an der Wasseroberfläche, wo sie sich kaum bewegten. Jetzt hatten wir immerhin kleine Wale gesehen. Immer wieder hörten wir von Segelfreunden, dass sie Pottwale zwischen den Inseln gesehen hatten. Aber so sehr wir uns die Augen auch ausschauten, wir hatten bisher nicht das Glück gehabt, Wale zu entdecken.

Nachdem wir glücklich wieder in Martinique zurück waren, verbrachten wir die nächsten Tage bis zu unserem Flug in einem kleinen Appartement in Anse a l`Ane. Wir kamen uns vor wie im Urlaub, denn wir hatten nichts mehr zu tun, zu organisieren, aus- und einzuräumen, oder zu erledigen. Wir mussten nur noch warten, bis unser Flieger abhebt. Ein komisches Gefühl, das wir schon sehr lange nicht mehr gehabt hatten (auch wenn viele glauben, wir liegen immer nur faul in der Hängematte und schlürfen einen Cocktail).

Unsere Freunde Wendy und John, die auf dem Weg von Guadeloupe nach Grenada in Martinique einen Zwischenhalt machten, weil sie dringend eine Batterie brauchten, kamen extra vorbei, um uns noch einmal zu sehen. Zwischen den französischen Übersee-Departements war die Quarantäne seit Kurzem aufgehoben worden. Ich hatte sie das letzte Mal an Weihnachten gesehen, wo wir zusammen mit Simon und Rachel den Heiligabend in Bequia gefeiert haben. John und Wendy`s Tochter bekommt im Januar ein Baby und sie hoffen inständig, dass es bis Ende des Jahres möglich sein wird, nach Südafrika, wo sie daheim sind, zu fliegen. Wir drücken ihnen die Daumen, dass sie diese spezielle Zeit miterleben dürfen.

 

Dann war der Tag unserer Abreise gekommen. Wir fuhren mit der Fähre über die große Bucht nach Fort de France, Martinique`s Hauptstadt. Noch einmal winkten wir John und Wendy auf Ihrem Stahlschiff, der Headway, zu und sahen sie im Heckwasser der Fähre immer kleiner werden. Wer weiß, wo und wann wir uns wiedersehen.


Direkt vor dem alten Fort mit dem schönen Stadt-Ankerplatz machte die Fähre an und wir genehmigten uns noch einen Kaffee auf einem der Plätze in der Altstadt. Hier gibt es immer etwas zu sehen und die Zeit bis zu unserem Flug verging im Nu.

Mit dem Bus fuhren wir zum Flughafen, wo überall streng auf die Einhaltung der Maskenpflicht und des Mindestabstandes geachtet wurde. Auch im Wartebereich war jeder zweite Sitz gesperrt, so dass der Mindestabstand gewährleistet war. Beim Boarden wurde dann jedem kurz ein Thermometer an die Stirn gehalten – gut, dass ich keine Hitzewallungen habe. Alles in Ordnung. Wir stiegen ein und mussten feststellen, dass der ganze Flieger bis auf den letzten Platz belegt war. Auf einmal war der Mindestabstand nicht mehr wichtig. Aber die Maske musste, außer beim Essen, während des ganzen Fluges getragen werden. In unserer Nähe saß dann auch eine Frau, die wirklich immer wieder minutenlang pausenlos geniest hat. Irgendwie sieht man im Geiste dann wirklich die Viren auf einen zufliegen. In Paris angekommen mussten wir mit der Zubringer-Bahn zum Ostbahnhof, von wo aus wir mit einem ICE direkt nach Augsburg gefahren sind. Im Zug war dann wieder die Hälfte der Plätze gebloggt. Sehr angenehm.

Wir ließen unsere Zeit des lockdowns in Martinique noch einmal revue passieren und denken auch an die kommenden Monate. Wir freuen uns schon sehr auf unsere Familie, vor allem natürlich auf Daniel`s und Alex` Hochzeit. Schade, dass Marco immer noch in Indien festsitzt. Aber besser, er riskiert nichts und bleibt in Auroville. Dort ist er während seiner Reise gerade gewesen, als es mit Corona losging. Gottseidank ist es einer der sichersten Orte Indiens. Keine Ahnung, was wir in den nächsten Monaten in Deutschland machen werden. Wir wissen auch nicht, wo wir ab August wohnen sollen. Aber, wie Franz`Bruder Klaus immer sagt: irgendwas wird es schon werden. Wir lassen alles auf uns zukommen und sind zuversichtlich. Kein Mensch weiß, wann wir wieder zu unserer Aton zurück kommen und unsere Reise fortsetzen können. Wir hoffen, dass sich kein Hurrikan nach Carriacou verirrt, und Aton bis zu unserer Wiederkehr sicher ist. Aber sosehr wir uns jetzt auch auf Deutschland freuen, so sehr freuen wir uns dann wieder auf unser Schiff, auf den Wind, das Meer, den Luxus, Zeit zu haben, und die Freiheit zu tun, was immer wir wollen.

Aton macht Pause

Aton macht Pause

Michi

Erschöpft, aber froh, mit einem blauen Auge davongekommen zu sein, saßen wir nun im Cockpit und nahmen unseren Kurs gen Süden entlang St. Vincent wieder auf. Wir motorsegelten so eine Weile in der fast mondlosen Dunkelheit dahin. „Hoffentlich hält unsere Kupplung durch.“, bemerkte Franz. In den letzten Tagen hatten wir nämlich immer öfter bemerkt, dass das Einkuppeln merklich schwerer ging und von einem immer lauter werdenden, hässlichen Klack-Geräusch begleitet wurde.

Zwischenzeitlich hatte der Regen aufgehört und sich der Wind gelegt. Franz begutachtete gerade die beim Legen der Genua verbogene, untere Reffeinrichtung des Vorstages. Plötzlich kam er aufgeregt ins Cockpit. „Hier riecht doch etwas verkokelt, oder?“, fragte er mich. „Ja, ich rieche es auch. Mein Gott, was ist denn das nun wieder?“. Schnüffelnd durchsuchten wir unser schwimmendes Zuhause, um festzustellen woher der Geruch kam. Schließlich entdeckte Franz, dass das vordere Zweifarbenlicht, welches nachts anderen Schiffen unseren Kurs anzeigt, einen Kurzschluss hatte. Um die Gefahr eines Kabelbrandes zu vermeiden, schaltete Franz auch das weiße Rücklicht aus und unser Ankerlicht an der Mastspitze ein. Dieses ist zwar sehr schwach, aber war nun unsere einzige Möglichkeit, nicht gänzlich unsichtbar zu sein. Da der Schlaf mich nun übermannte, legte ich mich einige Stunden ins Bett; Franz hatte nachmittags schon vorgeschlafen. Um zwei Uhr nachts übernahm ich das Ruder und Franz legte sich hin.

Ein riesiger Frachter war aus der Ferne und im AIS zu sehen, dessen Kurs genau auf uns gerichtet war. „Auch das noch.“, dachte ich mir. Ich legte mir einen großen Scheinwerfer zurecht, mit dem ich unser Segel anleuchten konnte, damit uns der Frachter bei Kollisionsgefahr besser erkennt. Witzigerweise änderte der Frachter später aber seinen Kurs, wendete und fuhr dahin zurück, von wo er gekommen war. Seltsam, aber somit war auch diese Gefahr gebannt. Um fünf Uhr erreichten wir unser Ziel, und ich weckte Franz, damit wir das Großsegel bergen konnten. „Jetzt lege ich mich noch einmal hin, bis alle anderen da sind. Schließlich haben wir tagsüber noch volles Programm, da müssen wir fit sein.“. Als ich nach etwa einer Stunde traumlosen Schlafs wieder ins Cockpit kam, fand ich dort einen tropfnassen, triefenden Franz vor. „Jetzt hast Du den Regen Deines Lebens verpasst.“, empfing er mich. „Es hat sintflutartig geschüttet, ich konnte nicht einmal mehr den Mast sehen.“.

Franz
Als wir als erstes Schiff des Konvois unser Ziel erreicht, und unser Großsegel geborgen hatten, versuchte ich, unser Schiff in dieser Position zu halten, um auf die restlichen Schiffe zu warten. Hierfür nahm ich die Hilfe unseres dritten Crewmitglieds, des Autopiloten, in Anspruch. In langsamer Schleichfahrt gegen den Wind hielt er Aton stoisch mehr oder weniger auf der Stelle. Langsam dämmerte der Morgen und ich sah, wie sich über Carriacou eine immense Regenfront aufgebaut hatte und genau auf uns zu kam. Von einem Moment zum nächsten erreichten uns starke Windböen, was den Autopiloten in seiner Arbeit überforderte. Kaum hatte ich das Ruder wieder übernommen, öffneten sich die Schleusen des Himmels. Wasserfallartig wurde das Cockpit geflutet und nahm mir jegliche Sicht. Selbst das Atmen war mir nur noch möglich, indem ich meine Hand schützend über Mund und Nase hielt. Gottseidank hatten wir vorsichtshalber bereits das Bimini, ein Sonnenschutzsegel über dem Cockpit, geborgen, weil die starken Böen es sicherlich beschädigt hätten. Der Bildschirm des Plotters (ein Multifunktionsinstrument zur Navigation) wechselte permanent die Oberfläche, da die touch-screen-Funktion das aufprasselnde Wasser als meinen Fingerdruck erkannte. Somit hatte ich keine Sicht, und keine Information über Standort, Tiefe und Geschwindigkeit. Ich steuerte nur noch intuitiv bis das ganze Schauspiel nach zwanzig endlosen Minuten abebbte. So etwas hatte ich noch nie in meinem Leben erlebt.

Nachdem ich den Plotter wieder trocken gewischt hatte, sah ich auf dem AIS, dass die anderen Schiffe unseres Konvois zwischenzeitlich beinahe angekommen waren. Sowie endlich alle da waren, fuhren wir nach genauen Instruktionen des Mutterschiffs nacheinander in die Enge Einfahrt der Marina. Als wir am Dock anlegten, und die Vorleine bereits am Pöller festgemacht war, kuppelte ich den Motor kurzfristig aus. Um die Heckleine an die Helfer am Dock übergeben zu können, versuchte ich, den Rückwärtsgang einzulegen. Der Widerstand des Schalthebels war jedoch mittlerweile derart groß, dass ich es gerade so mit beiden Händen schaffte, ihn in die Rückwärtsposition zu ziehen. Dabei stellte sich fest, dass sich zwar die Drehzahl erhöhte, die Kupplung nun aber den Dienst endgültig quittiert hatte. Dies machte es mir unmöglich, die Antriebswelle einzukuppeln. Demzufolge erzeugte die Antriebsschraube keinen Vortrieb mehr. Gottseidank hatte die Kupplung noch genau bis hierher gehalten! Dennoch gelang es uns, Aton sicher am Dock festzumachen. Wir waren uns einig: „Erst fast das Rigg verloren, dann die Beleuchtung ausgefallen und zu guter Letzt auch noch die Kupplung, die auf dem letzten Meter aufgibt. Heute haben wir wieder einmal großes Glück im Unglück gehabt!“

Michi
Als wir mit dem Auskranen an der Reihe waren, wurden wir mit einem Schlauchboot zur Krananlage geschleppt. Da die strengen Regeln dieses Konvois uns untersagten, uns an Land zu bewegen, mussten wir während des Kranens an Bord bleiben, was unter normalen Umständen strikt untersagt ist. An unserem Lagerplatz für die nächsten Monate angekommen, arbeiteten wir einige Stunden in sengender Hitze hochkonzentriert daran, Aton für die Einlagerung vorzubereiten. Als alle Konvoi-Mitglieder damit fertig waren, verließen wir abends auf dem Mutterschiff Carriacou Richtung Martinique. Vollkommen erschöpft von den anstrengenden und aufregenden letzten 36 Stunden schliefen wir schon bald in unserer Koje ein.

Aton bewährt sich, Teil 2

Aton bewährt sich, Teil 2

Franz
Hier muss ich für unsere nichtsegelnden Leser die Situation erklären. Der Mast eines Segelschiffs wird durch vier Befestigungspunkte über Kreuz auf dem Schiff fixiert. Der Mastfuß steht lediglich in einer kleinen Hülse auf Deck. Die eigentliche Befestigung des Mastes geschieht über sehr straff gespannte Stahlseile. Die seitlichen Stahlseile werden als Wanten bezeichnet, die vorderen und hinteren als Vorstag und Back- oder Achterstagen. Sollte eines dieser Seile brechen, verliert der Mast sofort seine Stabilität. In diesem Moment besteht akute Gefahr, dass dieser samt allen Aufbauten und Segeln umfällt. In unserem Falle hätte das geheißen, dass der Mast ins Cockpit fällt, und uns ggfs. erschlägt.

Von diesem Moment der Erkenntnis an, lief alles wie in einem Film ab und wir funktionierten nur noch. Als erstes riss ich das Ruder herum, um das Schiff vor den Wind zu bekommen. Somit wurde der Mast nach vorne gedrückt, was den beschädigten Vorstag entlastete und die Backstagen durchsetzte. Der Autopilot hielt nun ATON selbständig auf diesem Kurs. Als nächstes galt es, das wild um sich schlagende Vorsegel zu bergen. Michi ging an die elektrische Winsch und ich klickte mich in die Sicherungsleine ein, um sicher auf dem Vordeck arbeiten zu können. Inzwischen hatte es begonnen, stark zu regnen und der Wind frischte deutlich auf. Außerdem wurde es mit jeder Minute dunkler. Vorne angekommen, kroch ich zur Reffeinrichtung der Genua in die Bugspitze. Dabei wurde ich unablässig von den immer noch wild schlagenden Genuaschoten gepeitscht. Ich versuchte, die Seilrolle der Reffeinrichtung mit meinen Händen zu unterstützen. Michi hatte inzwischen die Winsch mit der Reffleine belegt. Nach einigen Sekunden rutschte jedoch die Leine aufgrund der hohen Kräfte durch. Diese entstanden dadurch, dass die obere Führung, also die Verbindung des Stages mit dem Mast, nicht mehr vorhanden war. Michi versuchte nun, die Reffleine auf die deutlich größere Genuawinsch zu legen. Dabei unterlief ihr im Eifer des Gefechts ein Fehler, und die Seilbremse, die immens unter Zug stand, sprang plötzlich aus der Verankerung.

Dennoch gelang es uns nun langsam, die Genua Stück für Stück einzurollen. Durch das wilde Umherschlagen hatte sich die Backbordschot, trotz Achterknotens am Ende, aus der Seilführung befreit und sich mit der Steuerbordschot in ein Gewirr aus Knoten und Leinen vertörnt. Dies barg die Gefahr, dass die losen Leinen ins Wasser fallen und sich in der Schraube verfangen könnten. Während Michi verschte, die Schoten zu bergen und die Knoten zu lösen, musste ich eine Lösung finden, den Mast möglichst schnell nach vorne zu stabilisieren. „Der Babystag“!, fuhr es mir in den Sinn. Gottseidank hatten wir diesen zweiten, kürzeren Vorstag für das Sturmsegel am Mast montiert. „Schnell, hol mir die Spannvorrichtung für den Babystag aus der Backskiste.“, schickte ich Michi ins Cockpit. Währenddessen löste ich das Babystag vom Mast und brachte es in Position, als Michi mir auch schon, auf allen vieren auf dem schaukelnden Deck kriechend, die Spannvorrichtung brachte. Gemeinsam gelang es uns, die Führungsbolzen in dem wild auf und ab stampfendem Schiff zu befestigen. Nach wenigen Umdrehungen spannte sich das Seil. „Uff. Das Rigg ist erstmal gerettet.“. Dennoch befestigte ich zur Sicherheit das Spinnakerfall, eine Leine, die von der Mastspitze kommend zum hissen eines sehr großen Vorsegels gedacht ist, an unserem sehr stabilen Bugkorb. Dieses spannte ich anschließend mit der Winsch straff durch.

Michi
Da ich weder die losen Achterstagen, noch den schwankenden Mast gesehen hatte, war mir das komplette Ausmaß der Gefahr, in der wir uns befanden hatten, gar nicht richtig bewusst geworden. Erst als wir beide wieder im Cockpit waren und uns von diesem Schreck erholten, erklärte mir Franz, dass wir gerade knapp daran vorbeigeschrammt waren, unseren Mast zu verlieren. Hierzu muss man wissen, dass fast jeder Katamaran und auch sehr viele Mono Hulls lediglich eine Want auf jeder Seite haben. Dies hätte in unserem Fall unweigerlich dazu geführt, dass der Mast ins Cockpit gefallen wäre. Lediglich die Tatsache, dass unser Rigg extrem stabil ist, hat uns gerettet. Wir haben nämlich auf jeder Seite vier Wanten, die auch noch sowohl nach vorne, als auch nach hinten abspannen. Somit wurde ein großer Teil der Kräfte des gebrochenen Vorstags von den Wanten aufgenommen. Wieder einmal hatte sich unser Schiff als ausgesprochen stabil und sicher erwiesen. Ich meldete nun unsere Probleme per Funk an das Mutterschiff unseres Konvois. Der Skipper, Mat, wies uns an, bis vor die Marina in Carriacou durchzusegeln, und dort auf die anderen Schiffe zu warten.

Nachdem ich jedoch einige Male das immer noch lediglich am Fall hängende Vorstag wild umher baumeln sah, bat ich Franz: „Lass uns doch bitte versuchen, die Genua komplett aufs Deck zu legen, sonst geht sie uns noch ganz kaputt.“. Gesagt, getan. Wir fierten das Fall und ließen das Vorstag langsam herunter. Dabei verfing es sich jedoch erst einmal in der Backbord Backstag. Nach einigen Versuchen gelang es uns, sie außen vorbei zu führen. Endlich lag sie nun längsseits auf dem Deck und wir befestigten sie mit einigen Leinen an der Reling. Da es jedoch erheblich länger als unser Schiff ist, ragten einige Meter, wie bei einem Langholztransporter, über das Heck hinaus und wippte dort im heftig Rhythmus der Wellen.

Dieses Bild entstand am nächsten Morgen, kurz vor der Einfahrt in die Marina in Carriacou.