28.01.2019 Das Drama nimmt kein Ende Teil II
Franz:
Nach den dramatischen Erlebnissen der letzten Tage war unser Vertrauen in unsere Ankerkünste doch sehr stark gesunken. Deswegen hatten wir beide eine sehr unruhige Nacht, noch verstärkt durch die Tatsache, dass der Wind laut Wettervorhersage während der Nacht auffrischen und von Nord auf Süd drehen würde. Stetig begannen die Geräusche des Windes durch unsere Takelage zuzunehmen. Die Schlingerbewegungen des Schiffes nahmen von Minute zu Minute zu, und der aufkommende Schwell ließ Aton auf und ab schwingen. Durch diese Eigenbewegungen entstanden weitere Geräusche durch schlagende Fallen, klopfende Fender und flatternde Spayhood. Immer wieder kletterten wir duch unser Dachluk heraus, um die Position unseres Schiffes zu kontrollieren und die Ursache eines bestimmten Geräusches zu ermitteln, wobei ich unumwunden zugeben muss, daß Michi mehr als doppelt so oft nachgesehen hat, als ich (ich bin bei meinen Freunden bekannt dafür, einen sehr gesunden Schlaf zu haben). Aber irgendwann schläft man eben vor Erschöpfung und übernächtigt ein.
Am nächsten Morgen erwachten wir recht früh. Da wir uns mitlerweile an die Windgeräusche gewohnt hatten, war die innere Anspannung etwas gewichen. Plötzlich klingelte mein Handy. Ich sprang aus meinem Bett und nahm das Gespräch entgegen. Am anderen Ende war Frank von der Cayluna. Grußlos sagte er nur: „Franz starte sofort deine Maschine. Ihr treibt schon wieder ab.“ Nur mit Shorts bekleidet spurtete ich durch den Salon, rief Michi zu, sie solle den Anker fertig machen und hechtete den Niedergang hoch. Motor starten, Abdeckungen von den Monitoren entfernen, Plotter starten, Bugstrahlruder aktivieren, all das habe ich in Rekordzeit absolviert. Zwischenzeitlich hat Michi die Handfunkgeräte bereitgemacht und war zum Ankerkasten gespurtet. Nach wenigen Sekunden kam Ihre Fertig-Meldung. Abermals dampfte ich gegen den enormen Zug der Ankerkette, um die Arbeit der Ankerwinch zu vereinfachen. Michi gab mir mit ihrem Arm die Richtung vor, in der unser Anker lag. Nach einer gefühlten Ewigkeit kam von Michi die Meldung „Anker ist auf“. Dabei drohten wir durch die Abdrift des Windes auf ein anderes Schiff aufzulaufen. Nur durch beherztes Gas geben konnten wir einer Karambolage entgehen. Mit Müh und Not bekam ich soviel Fahrt ins Schiff, dass ich wieder Herr der Lage war und in sicheres Fahrwasser gelangte. Erst jetzt realisierte ich, dass der Wind komplett gedreht hatte und mit voller Wucht gegen den Gezeitenstrom anstand. Wer schon einmal mit Booten zu tun hatte, und das Zusammenspiel von Strom und Wind erlebt hat, kann vermutlich ermessen, was wir in diesem Moment durchlebt haben. Jetzt galt es erneut, in dieser aufgewühlten Situation, eine sichere Ankerposition zu finden. Wir fuhren zwischen den hin und hertanzenden Schiffen hindurch. Ich versuchte gegen das Rauschen des enormen Windes, Michi zu signalisieren, was ich vor hatte. Dabei bemerkte ich, dass Michis Handfunkgerät anscheinend nicht funktionierte. Keine meiner Anfragen an sie wurden beantwortet. Mit einem Blick zu ihr konnte ich sehen, wie sie in´s Handheldgerät sprach, bei mit aber nichts ankam. Auch das noch! Durch lautes Zurufen konnte ich ihr aber schließlich deuten, dass wir nun auf Handzeichen hin kommunizieren. Ich deutete Michi an, auf Sandflächen hin Ausschau zu halten und deren Lage mir durch Handzeichen anzuzeigen. Bei einem ersten Versuch, den Anker an eine geeignete Stelle zu platzieren, wurden wir um ein Haar auf einen Katamaran getrieben. In letzter Sekunde konnte ich einen Zusammenstoß vermeiden. Beim zweiten Versuch gelang es uns besser. Ich konnte Aton in den Wind stellen und uns langsam der Sandfläche nähern. Als wir genau darüber waren, gab ich Michi das Zeichen, den Anker fallen zu lassen. Wir gaben die zehnfache Länge an Ankerkette, im Vehältnis zur Wassertiefe und streckten anschließend die Kette, bis der Anker sicher eingegraben war. Nach mehrmaligem einfahren stellten wir die Maschine ab. Danach ließen wir uns erst mal auf unsere Sitzbank im Cockpit fallen, um zu realisieren, wie es überhabt dazu kommen konnte.
Nun versuchte ich die ganze Sache zu analysieren:
Bei unserem ersten Ankerversuch nach der Sturmfahrt haben wir zugegebenerweise aufgrund des eingetrübten Wassers nicht mit der gebotenen Gründlichkeit den Ankergrund kontrolliert. Nachdem wir bei Dunkelheit das zweite mal den Anker setzten, wäre das danachfolgende Ausbrechen des Ankers auch noch erklärbar. Dieses mal aber war ich mir sehr sicher, dass der Ankergrund rein und der Anker gut eingefahren war. Somit konnte ich den Ankergrund als Ursache ausschließen. Der nächste, auffällige Aspekt bei all den mißlungenen Ankermanövern war die extrem große Strömung gepaart mit starkem Wind. Als wir gestern das letzte Mal den Anker setzten, war der Wind und die Strömung aus der selben Richtung. In dieser Nacht drehte aber der Wind um 180 Grad und stzte mit großer Kraft gegen den Gezeitenstrom. Dies könnte dazu geführt haben, dass der Anker ausbricht. Aber warum grub er sich anschließend nicht gleich wieder ein?