Guter Rat ist teuer

Guter Rat ist teuer

Michi

Inzwischen sind wir nun bereits mehrere Wochen in der Baie du Francoise. Unsere Schiffsnachbarn sind Willi, ein Einheimischer, der mit Veronique, einer Elsässerin, auf einem Katamaran wohnt. Weil er dort seine Wohnung auf dem Wasser hat, nennt er die kleine Bucht „Willi-Bay“. Dann sind da noch unsere alten Bekannten Stefan und Catherine. Das junge, kanadische Paar haben wir bereits vor über einem Jahr in den Turks and Caicos Inseln kennengelernt und heuer in St. Vincent wieder getroffen. Es ist eine nette und sehr hilfsbereite Nachbarschaft. Willi kennt natürlich hier alles und jeden und organisiert uns einen Kastenwagen, mit dem er uns und unsere Segel nach Le Marin zur Segelmacher-Firma bringen kann. Wegen Corona war die Segelwerkstatt geschlossen und wir müssen damit warten, bis Martinique am 11.06. das Öffnen einzelner Läden wieder erlaubt. In der Bucht gegenüber liegen außerdem noch Joscha und Niklas mit ihrer Bavaria „Sailing Naked“. Die beiden jungen Hamburger sind von Deutschland aus über Island und Grönland bis in die Bahamas und Karibik gesegelt. Während eines Abendessens auf Aton erzählen sie uns die spannendsten Geschichten ihrer Reise und die Zeit vergeht wie im Flug.

Während wir auf die Segel warten, fahren wir auch einige Male zwischen die beiden kleinen, vorgelagerten Inseln Ilet Oscar und Ilet Thierry, Benoire genannt. Am Ankerplatz hier, der nur bei Flut durch eine schmale Einfahrt erreicht werden kann, ist das Wasser nur zwei bis drei Meter tief. Wegen des Sandgrundes hat es eine leuchtend türkise Farbe. Beim Schwimmen komme ich mir vor wie in einem riesigen Pool, nur dass ich keine Fliesen zählen, sondern Seegurken, Conches, Seesterne und Fische bewundern kann. Allerdings herrscht auch eine starke Strömung und ich muss gut aufpassen.

Hier seht ihr im Vordergrund die Masten in der Willi Bay (rechts sieht man gerade noch unsere Mastspitze) und im Hintergrund die Benoire.

Ich entschließe mich, das klare Wasser zu nutzen, und Aton mal wieder eine gründliche Bauchreinigung zu gönnen. Mit meiner Taucherbrille, einem Metallspatel und einem Saugnapf, an dem ich mich am Schiff wegen der Strömung festhalten kann, geht es auf Tauchstation. Man glaubt gar nicht, was sich in kürzester Zeit alles an einem Schiffsrumpf festhält. Wir fahren ein eigenes, kleines Riff mit. Eine mitteldicke Schicht Algen und winzige Shrimps, die darin wohnen, viele kleine Muscheln und Seepocken und auch etliche größere Muscheln bevölkern Aton`s Bauch. Immer wieder tauche ich runter und kratze das mit der Spatel ab. Ein ganzer Fischschwarm wartet auf die weggekratzten Leckerbissen, die die Strömung in ihre Richtung treibt. Ich arbeite an zwei Tagen gut 5 Stunden bis alles wieder einigermaßen sauber ist. Vor allem auch unsere Antriebswelle ist nun soweit gesäubert, dass man die fehlende Anode dort wieder anbringen kann, was uns Stefan netterweise abnimmt.

Mit dem Kastenwagen der Kite-Schule von Sebastien, den sich Willi ausleiht, können wir nach Le Marin fahren, um die Segel abzugeben. Dort wartet auch die Anode auf uns, die uns zwischenzeitlich ein anderes deutsches Seglerpärchen besorgt hat, die in Le Marin auf ihre Atlantiküberquerung zurück nach Deutschland warten. Sie haben sich mit noch einem deutschen Paar zusammengetan, deren Schiff huckepack mit einem speziellen Yacht-Transport-Frachter nach Europa gebracht wird. Die nicht unerheblichen Kosten wurden geteilt und zu viert segeln sie nun die ITHAKA über den Atlantik. Da sowohl Bermuda, als auch die Azoren und Kanaren die Grenzen geschlossen haben, ist dies im Moment des Abfahrens ein spannendes Unterfangen. Man muss damit rechnen, ohne Zwischenstopp bis nach Deutschland durchsegeln zu müssen, was mit einer erheblichen Ausweitung der Lebensmittel- und Diesel-Bevorratung einhergeht. Nach langen Diskussionen beschließen wir, dass das aus verschiedenen Gründen für uns momentan keine Option ist. Wir würden immer noch am liebsten nach Trinidad gehen, aber dort sieht es nicht so aus, als würde man in naher Zukunft einreisen, und erst recht nicht ausreisen können. Auch Luperon, ein Hurrikan-Whole in der dominikanischen Republik, wo Freunde von uns sind, ziehen wir in Betracht. Aber auch dort hätten wir momentan das gleiche Problem wie in Trinidad. Unsere Freunde, ein Niederländer und eine Kasachin, versuchen vergebens aus der Dom. Rep. einen Flug zu organisieren und segeln letztendlich als Crew auf einem Katamaran nach Europa zurück. Dann wären da noch die ABC-Inseln Aruba, Bonaire und Curacao, die südwestlich der Karibik außerhalb des Hurrikan-Gürtels liegen. Da es sich um niederländische Kolonien handelt, gibt es ab Juli Flüge nach Amsterdam. Aber da es wenige Marinas gibt, sind die Liegeplätze an Land teuer und es gibt kaum Bojen, wo man das Schiff sicher für längere Zeit liegen lassen kann. In Curacao muss man außerdem nach der Einreise für 14 Tage und 150 USD pro Person und Tag in ein Hotel in Quarantäne. Kommt also auch nicht in Frage. Es ist relativ einfach für Europäer aus Martinique nach Paris zu fliegen, denn das ist ja ein Inlands-Flug. Aber das würde auch heißen, das Schiff im Hurrikan-Gebiet zu lassen, was wir definitiv nicht unbeaufsichtigt machen. Wir überlegen, ob ich zurückfliege, und Franz auf ATON bleibt, um einem ggfs. herankommendem Hurrikan davon zu segeln. Das machen tatsächlich viele Segler, da man einige Tage Zeit hat, bis der Hurrikan kommt, um nach Süden auszuweichen. Wir überlegen hin und her und warten Woche um Woche, ob es irgendwelche Lockerungen der Einreisestopps in den südlichen Inseln gibt, oder ob die Flüge wieder gestartet werden. Kaum haben wir uns für eine Destination entschlossen, hören wir am nächsten Tag wieder irgendwelche Neuigkeiten und ändern unseren Plan wieder. Die Ungewissheit zermürbt uns und die Gedanken kreisen immer wieder um dieses Thema.

Endlich hören wir, dass man nun in Grenada einreisen darf, wenn man dort auf dem Schiff für 14 Tage in einem genau ausgewiesenen Gebiet in Quarantäne geht. Dort rollt das Schiff zwar ständig, weil es keine richtige Bucht ist, aber man wäre immerhin im relativ hurrikan-sicheren Süden. Dann bleibt aber immer noch das Problem, dass keiner weiß, ob und wann es von dort möglich ist, auszufliegen. Wir melden uns vorsichtshalber mal an, und bekommen ein Zeitfenster vom 24. Bis 25. Juni mitgeteilt, wo wir kommen dürfen (es dürfen immer nur eine bestimmte Anzahl von Schiffen pro Woche kommen). Wir überlegen, ob ich aus Martinique zurückfliege und Franz alleine nach Grenada geht, und dort auf Flüge wartet. All unsere Pläne sind nicht wirklich optimal und wir überlegen und diskutieren endlos. Eines Tages hören wir aber dann plötzlich vom Plan Carriacou`s, Schiffe aus Martinique mit einem kontrollierten Konvoi aus maximal 6 Schiffen mit einem Begleitschiff einreisen zu lassen. Man muss vorher einen Coronatest machen und hat in Carriacou 10 Stunden Zeit, das Schiff aus dem Wasser zu holen, und für die Lagerung vorzubereiten. Dann geht es mit dem Begleitschiff am gleichen Tag wieder nach Martinique zurück. Das ist beinahe perfekt für uns, denn Carriacou ist zwar offiziell noch im Hurrikan-Gürtel, liegt aber nördlich von Grenada und somit relativ weit im Süden. Außerdem können wir ohne Weiteres von Martinique aus nach Europa fliegen. Wir melden uns gleich mal in der Marina in Carriacou an und buchen einen Flug am 16. Juni. Jetzt haben wir endlich einen Plan und sind unendlich erleichtert.

Nachdem wir unsere Segel wieder abgeholt und montiert haben, sind die Tage (eigentlich waren es Wochen) in Willi-Bay gezählt, da wir nach Le Marin aufbrechen müssen. Dort haben wir noch einiges zu erledigen und der Konvoi wird vom benachbarten Saint Anne starten. Wir verabschieden uns von Willi und Veronique, Stefan und Catherine sind ebenfalls nach Le Marin gesegelt, um dort Ersatzteile zu besorgen. Ein letztes Mal übernachten wir noch in der paradiesich-karibischen Benoire und setzen dann unsere Segel, neuen Abenteuern entgegen.


6 Replies to “Guter Rat ist teuer”

  1. Inzwischen seid ihr ja gut in Bayern angekommen, freut uns sehr. Klingt alles sehr aufregend, euer Stimmungskarussell kann ich gut nachvollziehen. Ich wünsche euch hier in Bayern viele erholsame Tage bei Familie und Freunden und eine schöne Hochzeit??

  2. Hi,
    da geht es ja mal wieder drunter und drüber bei euch…
    Schön aber, dass letztendlich alles klappt 🙂
    Wenn ihr am 16.6. einen Flug gebucht hattet, heißt das, dass ihr wieder in Deutschland anzutreffen seid?
    Viele Grüße
    Martin

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