Innenansichten einer (unserer) Weltreise

Innenansichten einer (unserer) Weltreise

Franz:

Nachdem wir nun mehr als 3 Monate auf unserem Segelschiff leben und bereits mehr als 2 Monate damit unterwegs sind, wage ich es, eine Zwischenbilanz zu ziehen. Was hat diese Reise mit uns (mir) gemacht? Wie hat sie uns und unser Leben verändert? Wie kommen wir damit klar?

Ich habe mir vorgenommen, schonungslos sowohl die positiven, als auch die negativen Aspekte darzulegen. Denn nur so kann eine objektive Darstellung der Dinge gelingen.

Lebensraum:

Ich möchte mit dem Leben auf engstem Raum beginnen. In unserem Haus hatten wir knapp 180 m/2 Wohnfläche, zuzüglich eines sehr großen Gartens zur Verfügung. Dort hatten wir reichlich Raum, um uns gegenseitig aus dem Weg zu gehen. Jeder hatte seine Privatsphäre. Wir konnten uns im Spannungsfall zurückziehen. Bei der Planung unserer Reise und dem Kauf unseres Schiffes hatten wir die allergrößten Bedenken, dass wir durch die Lebensraumreduzierung auf knapp 40 m/2 mögliche Konflikte quasi heraufbeschwören würden.

Ja, diese Enge ist wirklich eine Herausforderung. Obwohl wir uns mittlerweile recht gut organisiert haben, stellen wir dennoch nahezu täglich fest, dass die Enge bei den häuslichen Tätigkeiten wie kochen, waschen etc. sehr hinderlich und nervig ist. Wenn dann beim Hantieren auf engsten Raum auch noch ein rücksichtsloser Motorbootfahrer mit überhöhter Geschwindigkeit sehr nah an uns vorbeifährt und dessen Schwell unser Schiff erreicht, können schon mal die Gefühle aufwallen und unanständige Worte fallen. Was allerdings die Privatsphäre betrifft, kann ich Entwarnung geben. Aufgrund der Enge muss zwar jeder von uns Kompromisse eingehen und so manches Mal zurückstecken. Dennoch glaube ich, dass darin einer der Gründe zu suchen ist, dass wir eine Kultur der gegenseitigen Rücksichtnahme und Respekt entwickelten.

Partnerschaft:

In einer durchschnittlichen Partnerschaft läuft es in der Regel so ab, dass jeder seinem Beruf nachgeht. Somit ist man meist 8 oder mehr Stunden mit Arbeitskollegen, Kunden oder Geschäftspartnern konfrontiert. Abends erzählt man dem Partner dann, was sich tagsüber im Beruf ereignet hat. Bei einer Reise, wie der unseren, haben wir eine 24/7 Beziehung. Wir stehen miteinander auf, wir durchleben den ganzen Tag zusammen und abends gehen wir dann zusammen ins Bett. Solch ein Tagesablauf hat schon so manche Beziehung, welche beispielsweise durch den Renteneintritt eines Partners damit konfrontiert wurde, an den Rand des Scheiterns gebracht.

Hier kommt uns zu Gute, dass wir als ein ehemaliges Unternehmerpaar durchaus eine 24/7 Beziehung kannten. Während jedoch in unserem Arbeitsleben diese in negativer Erinnerung blieb, kann ich nun sagen, dass wir uns neu gefunden haben und diese Zeit gemeinsam genießen. Hierbei empfinden wir sehr intensiv den Umstand, soviel Zeit zu haben, keinen Druck, irgendetwas erledigen zu müssen, keine Termine, einfach nur wir.

Erfüllung:

Wenn man sein Leben lang im Arbeitsleben aktiv war und in seiner Tätigkeit Erfüllung gefunden hat, stellt man sich unweigerlich die Frage: was tue ich den lieben, langen Tag auf einem Schiff. Komme ich mit dem „Nichts tun“ klar? Wird mir nach kürzester Zeit langweilig? Falle ich womöglich in ein Loch? Werde ich am Ende depressiv?

Auch hierbei kann ich Entwarnung geben. Man findet sehr schnell seinen Rhythmus. Man steht auf, wenn man wach ist, ein gemeinsames Frühstück, man spricht durch, was dringend erledigt werden soll und bespricht, wer was macht, abspülen, Morgentoilette, dann die angesprochenen Arbeiten, Mittagessen, baden, schnorcheln, etc., Abendessen, Sundowner, ein Buch lesen. Wenn man müde ist, geht man ins Bett. Zeit spielt eine untergeordnete Rolle. Aus diesem Grunde trage ich mittlerweile keine Armbanduhr mehr! 

Lebensqualität:

Jeder, und da nehme ich mich ganz bestimmt nicht aus, gewöhnt sich über die Jahre gewisse Dinge und Tagesabläufe an, die man nicht mehr missen will. Das Treffen mit Freunden in der Kneipe, der neue Film im Kino, der Cappuccino am Morgen, den Fernseher etc. Kann und will man darauf verzichten? Was kann das Leben an Bord mir (uns) bieten, was einen derartigen Verlust an Lebensqualität rechtfertigt?

Diesen Punkt möchte ich etwas hervorheben. Während früher der Fernseher zum Mittelpunkt des Abends wurde, sitzen wir nun in unserem Cockpit, ein Becher Wein in der Hand und sehen uns gemeinsam die Bucht, den Sternenhimmel (ein fantastisches, allabendliches Ereignis), das Meer (manchmal haben wir Meeresleuchten, ein fluoreszierendes Licht, welches von diversem Plankton erzeugt wird) und die uns umgebende Gegend an. Alleine die Sonnenuntergänge sind nicht zu beschreiben.  Außerdem verzichten wir nicht gänzlich auf das kulturelle Leben, da wir versuchen halbjährlich unsere Familie und Freunde zu besuchen und ein paar Wochen in Deutschland zu verbringen.

Familie:

Wir sind stolze Eltern zweier, erwachsener Söhne. Ich (Franz) habe außerdem noch beide Eltern und vier Geschwister, eine Menge Onkel und Tanten usw. Ich möchte mich durchaus als Familienmensch bezeichnen. Ich liebe es, an großen familiären Festen alle zu treffen. Wie würden sie auf unsere Pläne reagieren? Was würden unsere Kinder, meine Eltern dazu sagen?

Ja das war sehr hart für uns. Allen voran, unseren Kindern zu sagen, dass wir ins Ausland gehen und zu Dauerreisenden werden, gefolgt von unseren Eltern und Freunden. Die Reaktionen waren nahezu durchwegs positiv. Zu Beginn unserer Planung kamen Michi und ich überein, dass wir ein halb-jährliches Breake machen und unsere Familie besuchen. Sollten wichtige Ereignisse wie Krankheiten oder Schlimmeres eintreten, die unsere Anwesenheit in Deutschland erforderten, würden wir unser Vorhaben unterbrechen.

Freunde: 

Ich bin ein sehr gesellschaftssuchender und kommunikativer Mensch mit einer großen Zahl von Freunden. Während meines beruflichen Lebens habe ich meine Freundschaften so gut es ging gepflegt. Würden mich meine Freunde nun verlassen? Wie würden sie reagieren, wenn sie von unseren Plänen erfahren?

Als wir unseren Freunden unsere Pläne mitteilten, waren deren Reaktionen ausnahmslos positiv. Natürlich war eine Wehmut, gerade bei unseren sehr guten Freunden zu spüren. Dennoch freuten sich alle für uns und beglückwünschten uns zu unserem Mut, ein derartiges Vorhaben zu verwirklichen. Mittlerweile begleiten uns nahezu alle unsere Freunde auf unserem Reiseblog. Sehr vielen Dank Euch allen.

 

Arbeit:

Nach einer erfolgreichen Selbstständigkeit wechselte ich gut 2 Jahre vor unserer Reise in eine Tätigkeit, die ich aus ganzem Herzen liebte. Ich hatte sehr nette Kollegen und Chefs, eine ausfüllende und anspruchsvolle Aufgabe, ein ausgesprochen interessantes Tätigkeitsfeld. Ich musste all das aufgeben. Würde ich damit zurechtkommen? Konnten wir den Verdienstausfall kompensieren?

Ja das war sehr hart für mich. Meine Angst, unser Unterfangen würde Seitens meines Arbeitgebers und meiner Vorgesetzen auf Unverständnis stoßen, hat sich allerdings nicht bewahrheitet. Ganz im Gegenteil. Ich wurde von allen Seiten bezüglich unserer Reise beneidet. Mir wurde sogar ein Sabbatical angeboten!!! An dieser Stelle möchte ich mich nochmals sehr bedanken. Da ich nun auf unserem eigenen Schiff bin, sind meine beruflichen Qualitäten sehr nützlich, was sich nahezu täglich bei der Instandhaltung und Instandsetzung der Schiffs-Peripherie bewahrheitet.

Epilog:

Wenn ich (Franz) nun mein Resümee dieser 3 Monate auf Aton ziehe, dann kann ich nur sagen, dass es mir in nie gekannter Form gut geht. Ich bin relaxt und ausgeglichen. Meine Beziehung zu meiner Frau, Partnerin, Co-Skipperin, Begleiterin und Mitstreiterin hat eine vollkommen neue Intensivität erreicht. Auch körperlich fühle ich mich wie ein neuer Mensch. Ich habe abgenommen (wieviel weiß ich mangels Waage nicht) und visuell meine Traumfigur erreicht, obwohl ich keine Diät machte und sportlich auch nicht sonderlich aktiv war. Ich habe keinerlei Mangelerscheinungen, weder physischer noch psychischer Natur. Ich vermisse natürlich unsere Kinder, Eltern, Geschwister und Freunde. Aber dank moderner Kommunikationsmittel können wir trotz diverser Empfangs-probleme immer wieder miteinander sprechen und Informationen austauschen.

Ich würde es sofort wieder tun!


8 Replies to “Innenansichten einer (unserer) Weltreise”

  1. Liebe Michi, lieber Franz,
    ich höre von Hildegard und Sepp gelegentlich, wie es Euch geht, was Ihr erlebt, wo Ihr seid. Da freue ich mich mit Euch, das Ihr so glücklich mit Eurem Boot seid! Nun werde ich manchmal mitlesen. Genießt kräftig! Viele Grüße von Doris aus Köln

    1. Hallo Doris, wir freuen uns sehr, hier von Dir zu hören, und dass Du uns auf dem Blog „verfolgst“. Wir genießen diese Zeit sehr, spüren das Leben intensiv, und füllen unsere Lebenszeit mit besonderen Momenten und Erlebnissen. Das kann uns keiner mehr nehmen, egal was noch kommt. Liebe Grüße an Deinen Mann und an Mama.

  2. Hallo Ihr Beiden, was für ein toller Bericht Eurer “ Innenansichten“. Alle diese Fragen , vor Beginn eines neuen Lebensabschnittes, werden wir uns auch in den nächsten 1 – 2 Jahren fragen müssen. Wie lange haben wir noch Lust zu arbeiten? Wo wollen wir leben? Kaufen wir was im Ausland? Bleiben wir gesund? Viele Fragen, viele Ideen und noch Null Plan. Darum bewundern wir Eure Entscheidung sehr, denn einfach war das sicher nicht. Und wie schön, dass Eure Reise so verläuft wie ihr es Euch vorstellt. Weiterhin viele schöne Erlebnisse und liebe grüße Margit und Gisbert

    1. Hallo Margit und Gisbert, vielen Dank für Euren Kommentar. Man kann eigentlich gar nicht so richtig wiedergeben, was alles im Innenleben so abläuft; so viele Emotionen, Sorgen, Gedanken, aber auch Euphorie, Glück, Zufriedenheit, und die Erkenntnis, dass wir es richtig gemacht haben. Wir wünschen Euch und allen unseren Followern, dass Ihr auch die richtigen Entscheidungen trefft. Manchmal muss man auch was Verrücktes machen, und ein Risiko eingehen. Nur Mut, denn man erfährt so viel erst gar nicht, wenn man es nicht ausprobiert. Auch wenn es nicht einfach ist, tut, nach was es immer Euch ist, das Leben ist kurz genug, genießt es, solange und so sehr Ihr könnt. Ganz liebe Grüße

  3. Hallo Franz und Michi, euer/ Franz Resümee eurer Reise bringt es auf den Punkt. Auch wir haben in den letzten Jahren, bedingt durch tragische Ereignisse in unserer Familie und auch der Entschluss vor mehr als einem Jahr uns in Italien eine zweite Heimat aufzubauen, viel unser bisheriges Leben überdacht, manches verändert, auch wenn es nicht viel Beifall von der Verwandtschaft bekam, neue/alte Lebensziele gesetzt. Vieles wurde unwichtig, dafür aber die besondere Freundschaft mit euch intensiver und wichtiger. Schön, dass ihr das auch so erleben könnt/ dürft. Euch weiterhin eine schöne Zeit an Bord und auf ein baldiges Wiedersehen! LG Patricia

    1. Hallo Trixi, ja, manchmal schreibt das Leben seine eigene Geschichte. Wir sind auch dankbar, dass sich eine schöne Freundschaft entwickelt hat. Ihr habt das mit Italien auf jeden Fall auch richtig gemacht, Sch….. auf die Verwandtschaft!! Drück Dich, Michi

  4. Lieber Franz, liebe Michi. Ich freue mich für Euch das Ihr die richtige Entscheidung getroffen habt.
    Ich bin im Gedanken oft bei Euch.
    Was mich freut ist das Franz jetzt mehr Kontakt zu mir hat (Facebook, WhatsApp und Videotelefonie ) als vorher.
    Lasst es Euch gut gehen und bleibt Gesund.
    Liebe Grüße
    Erny

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